Flexibilität statt Strompreiszonenteilung

Berlin, April 2024
2024 könnte ein entscheidendes Jahr für die deutsche Energiewende werden, denn dann ist geplant, dass die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Ihre Ergebnisse zu den möglichen Auswirkungen einer Gebotszonenteilung vorlegen. Hintergrund für die Diskussion ist ein Vorschlag der europäischen Regulierungsbehörde ACER, der Deutschland die Aufteilung in eine oder mehrere Strompreiszonen nahelegt. Stand heute bilden Deutschland und Luxemburg eine einheitliche Preiszone. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass alle Kunden den gleichen Strompreis zahlen.

Das Problem: Der schleppende Netzausbau führt dazu, dass Windstrom aus den nördlichen Bundesländern nicht in die südlichen abtransportiert werden kann und deshalb abgeregelt werden muss. Im Jahr 2022 gingen somit rund 8 TWh an kostbarem Erneuerbarem Strom durch netzbedingte Abregelung verloren. Dies entspricht rund 4/5 des Jahresstromverbrauchs der Stadt Hamburg.

Die ungleiche Verteilung des Erneuerbaren Zubaus bei einem gleichzeitigen Fehlen an lokalen Investitions- und Flexibilitätsanreizen entpuppt sich somit zusehends als Hemmnis zum Erreichen der Energiewende.

Um dieses Problem zu lösen, gibt es den Vorschlag die Strompreiszone in eine nördliche und südliche aufzuteilen. Die Hoffnung dabei: Durch den Anstieg der Strompreise wird der Erneuerbaren-Ausbau in den südlichen Bundesländern angereizt.  Der Norden soll dagegen von sinkenden Strompreisen profitieren. Im Ergebnis soll dies zu einem besseren Gleichgewicht von Energieangebot und -nachfrage führen und Aufwendungen für Redispatch reduzieren.

Doch bei einer genaueren Betrachtung sind die Auswirkungen einer solchen Entscheidung komplexer und vielfältiger, als es zunächst vermuten lässt. So könnten zwar die steigenden Redispatchkosten durch einen Marketsplit kurzweilig adressiert werden, gleichzeitig würde jedoch die marktliche Abregelung von Erneuerbaren Energieanlagen aufgrund eines rasanten Anstieges von Zeiten mit negativen Preisen zunehmen.

„Ein abrupter Split würde massive Herausforderungen für den benötigten Erneuerbaren-Zubau bringen. Besonders in den ersten Jahren eines Splits würden die Null- bzw. negativen Strompreisstunden deutlich ansteigen, wie eine Studie von THEMA und EWI zeigt“, kommentiert Hauke Broecker, Referent für Energiesysteme der ARGE-Netz.

Eine Zunahme negativer Strompreise gepaart mit einem generellen Verfall der Marktwerte hätte somit erhebliche Auswirkungen für den Erneuerbaren-Ausbau. „Ein Split ohne entsprechende Kompensation würde den Erneuerbaren die betriebswirtschaftliche Grundlage entziehen. Im Hochlauf der Erneuerbaren können wir uns keine weiteren Unsicherheiten leisten“, warnt Björn Spiegel, Leiter Politik und Strategie der ARGE-Netz.

Dabei reichen die Effekte noch weiter. Ein Split könnte auch zulasten der Verbraucher im Süden Deutschlands gehen, die tendenziell unter steigenden Strompreisen leiden würden. Auch würde die Liquidität im deutschen Strommarkt abnehmen und die Planungssicherheit für Unternehmen abnehmen. Im Endergebnis wäre somit wenig für die Energiewende und den Industriestandort Deutschland gewonnen.

Dabei ist die grundsätzliche Analyse gar nicht falsch. Es ist richtig, dass ein Strommarkt ohne lokale Preissignale bei einem gleichzeitigen Zubau an Erneuerbaren und Flexibilisierung nicht mehr haltbar ist. Doch es bestehen weitaus weniger invasive Maßnahmen als ein Strompreiszonensplit, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Einen guten ersten Ansatz liefert die kürzlich beschlossene Neuregelung zu „Nutzen statt Abregeln“. Hiermit werden abgeregelte Erneuerbare-Strommengen an zusätzliche Verbraucher versteigert.  Weitere Schritte müssen jetzt folgen. Mit der Flexibilisierung der Netzentgelte könnten breite Flexibilitätspotenziale vor Ort gehoben werden. Die Idee: Wenn die abzuregelnde Windenergie einen Grenzwert überschreitet, werden die Netzentgelte ausgesetzt oder stark reduziert. So könnten zusätzliche Lasten in Engpassregionen angereizt werden und damit das Netz entlasten. „Es geht jetzt darum sicherzustellen, dass die „Nutzen statt Abregeln“-Regelung praxistauglich umgesetzt wird. Perspektivisch kommen wir jedoch nicht darum, Netzentgelte zu flexibilisieren", meint Björn Spiegel.

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