Der Koalitionsvertrag der Arbeitskoalition –Arbeitsprogramm für die ersten 100 Tage
Unser Ziel ist ein möglichst günstiges und resilientes System, das den Ausbau der Energieerzeugung, der Flexibilitäten und der Netzkapazitäten zusammenbringt. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zeigt: Die Koalitionspartner setzen grundsätzlich den richtigen Fokus. Der Vertrag enthält bereits viele gute Punkte, bleibt aber oftmals unkonkret. An einigen Stellen besteht zudem noch Verbesserungsbedarf. Was hat sich die selbsternannte Arbeitskoalition vorgenommen und welche Vorhaben sollten aus unserer Sicht zuerst angegangen werden?
Erneuerbare Energien konsequent ausbauen
Besonders zu begrüßen: Die Klimaziele haben Bestand und die Energiewende wird weiter umgesetzt. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll dabei ohne größere Einschnitte oder Kurswechsel weitergehen und durch umfassende Maßnahmen zum Bürokratieabbau weiter vereinfacht werden. Wir freuen uns besonders über das klare Bekenntnis zur Bürgerenergie und zum Energy Sharing. Zusammen mit der geplanten Ausweitung der physikalischen Direktbelieferung von Unternehmen werden hier wichtige Signale für die regionale Nutzung von Erneuerbaren und lokale Wertschöpfung gesetzt.
In Bezug auf die Solarenergie sollen vor allem vereinfachte Anmeldeverfahren und mehr Möglichkeiten der Doppelnutzung, wie z.B. Parkplatz-, Agri- und Floating-PV den Ausbau weiter voranbringen. Genau wie die Solarenergie muss jedoch auch der Ausbau der Windenergie ungebremst weitergehen. Die geplante Evaluation der Flächenziele für 2032 sendet hierfür jedoch die falschen Signale. Einige Bundesländer sind in ihrer Flächenplanung zwar schon weit fortgeschritten. Andere hinken jedoch noch deutlich hinterher und verlieren so jeglichen Anreiz, auch über 2027 hinaus ausreichend Flächen für die Windenergie bereitzustellen. Zudem bieten die Flächenziele die Planungssicherheit, welche für die zur Erreichung unserer Ausbauziele notwendigen Investitionsentscheidungen unabdingbar ist. Werden die Flächenziele infrage gestellt, schafft das Unsicherheit und gefährdet die Energiewende.
Ähnliches gilt für die im Koalitionsvertrag angesprochenen Engpassgebiete, in denen der Windenergieausbau temporär angehalten werden soll. Gerade mit Blick auf den Netzausbau dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht in alte Denkmuster verfallen. Mittelfristig wird sich unser Strombedarf deutlich erhöhen. Es wäre fatal, jetzt den Ausbau der Erneuerbaren mit dem Argument der „Netzdienlichkeit“ zu drosseln, um kurzfristig beim Netzausbau zu sparen. Netzengpässen sollten wir nicht mit Engpassgebieten und weniger Erzeugungskapazitäten begegnen, sondern mit mehr Netzausbau und Flexibilisierung.
Sofortprogramm Flexibilität umsetzen
Mit dem geforderten Abbau von Hemmnissen und den geplanten Anreizen für den Bau von Speicherkapazitäten und Elektrolyseuren, der Überbauung von Netzverknüpfungspunkten und dem Rollout von Smart Metern werden jetzt die richtigen Prioritäten für mehr Flexibilisierung gesetzt. Dass auch die Bioenergie in diesem Zusammenhang eine größere Rolle einnehmen sollte, wurde richtigerweise erkannt. Der Einsatz von Reservekraftwerken und der großflächige Bau neuer Gaskraftwerke würden die Flexibilisierung unseres Erneuerbaren Energiesystems jedoch unnötig ausbremsen, denn sie verhindern die notwendigen Preissignale, um den Ausbau von Speichern und Elektrolyseuren anzureizen. Besonders die Kombination mit CCS/CCU birgt darüber hinaus ein hohes Risiko, die Nutzung fossiler Brennstoffe auf weitere Jahrzehnte zu zementieren. Aufgrund der steigenden CO2-Preise steht der Einsatz von Kohle- und Gaskraftwerken zudem dem Ziel entgegen, die Strompreise langfristig zu senken. Dauerhaft niedrige Strompreise erreichen wir vor allem durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren und von Speicherkapazitäten.
Marktdesign mittelstandstauglich machen
Für den Ausbau der Erneuerbaren sehen Union und SPD weiterhin einen gesicherten Investitionsrahmen vor, es soll jedoch künftig auch verstärkt auf marktwirtschaftliche Instrumente gesetzt werden. Dies ist grundsätzlich der richtige Weg, sofern die konkrete Ausgestaltung dieser Instrumente die mittelständische Basis der Energiewende stärkt. Wichtig ist, dass insbesondere kleinere Vorhabenträger auch weiterhin Zugang zu finanziellen Mitteln haben und die Akteursvielfalt nicht eingeschränkt wird. Wir setzen uns daher für eine europarechtskonforme Fortentwicklung der gleitenden Marktprämie ein. Diese sollte um einen Marktwertkorridor ergänzt werden, um den europarechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Eine grundlegende Weiterentwicklung braucht dagegen Zeit und die Möglichkeit zur Erprobung. Positiv ist darüber hinaus die Beibehaltung der einheitlichen Stromgebotszone, da der Ausbau der Erneuerbaren damit auch in bereits gut ausgebauten Regionen weiterhin attraktiv bleibt.
Zur Senkung der Energiepreise soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden. Zudem sollen insbesondere energieintensive Unternehmen weiter entlastet werden, unter anderem mit einem Industriestrompreis. Dieser sollte jedoch nur für einen begrenzten Kreis an Unternehmen und in Verbindung mit Flexibilitätsanforderungen gelten, um den Abschluss von Direktlieferverträgen zwischen Industrie und erneuerbaren Energieerzeugern weiterhin zu ermöglichen. Dies würde den Übergang der Erneuerbaren in die Marktsystematik zusätzlich unterstützen.
Unser Fahrplan für die ersten 100 Tage
Das Thema Flexibilität hat aus Sicht von ARGE NETZ oberste Priorität. Flexibilität ist der Dreh- und Angelpunkt für eine wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung basierend auf Erneuerbaren Energien. Der Ausbau von Speicher- und Elektrolysekapazitäten muss nun massiv vereinfacht und vorangetrieben werden. Flankiert werden muss dies durch die breite Ermöglichung von Energy Sharing und mehr Direktbelieferung von Unternehmen. Zusätzlich bedarf es der Flexibilisierung von Netzentgelten und der Einführung regionaler Flexibilitätsmärkte. Damit stärken wir nicht nur die Versorgungssicherheit und Akzeptanz vor Ort, sondern senken auch die Kosten für den Netzausbau.
Demgegenüber verhindern Reservekraftwerke und der großflächige Neubau von Gaskraftwerken Erneuerbare Flexibilität. Zudem zementieren sie die Nutzung fossiler Brennstoffe und damit auch den Verbleib im „alten Energiesystem“.
Stattdessen muss der Ausbau der Erneuerbaren weiter voranschreiten. Hierfür muss die nationale Umsetzung der REDIII schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um bürokratische Hürden weiter abzubauen und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Den Ausbau der Erneuerbaren nun mit dem Verweis auf fehlende Netzkapazitäten auszubremsen wäre ein großer Schritt in die falsche Richtung. Wir brauchen jede Kilowattstunde – und erzeugen diese am besten dort, wo die günstigsten Bedingungen vorherrschen.
Daneben muss „Nutzen statt Abregeln“ endlich praxistauglich überarbeitet werden. Zurzeit befindet sich der Mechanismus in der zweijährigen Erprobungsphase. Aufgrund der engen Definition des Berechtigtenkreises kann das Instrument jedoch kaum genutzt werden. Hier bedarf es einer schnellen Ausweitung des Teilnehmerkreises etwa auf alle verfügbaren Speicher und Elektrolyseure, damit das Potenzial dieses wichtigen Instruments voll ausgeschöpft werden kann.