ARGE NETZ beteiligt sich am Konsultationsprozess der BNetzA zur Überarbeitung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik (AgNes)

Mit der Veröffentlichung des Diskussionspapiers zur „Rahmenfestlegung Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom (AgNes)“ startete die BNetzA im Mai die Reformierung der Netzentgeltsystematik. Mit Blick auf die, „insbesondere durch die Energiewende veränderten Rahmenbedingungen“ möchte die BNetzA mit einer neuen Netzentgeltsystematik einen „angemessenen Ausgleich zwischen der Refinanzierung der Netzkosten, den Interessen der zahlenden Netznutzer und einem für alle Beteiligten umsetzbaren System“ herstellen.

Am 30.06.2025 endete die Frist zur Teilnahme am Konsultationsprozess der BNetzA. Auch ARGE NETZ beteiligte sich und reichte eine Stellungnahme ein.

Was ist der AgNes-Prozess?

Der AgNes-Prozess ist ein von der Bundesnetzagentur initiiertes Verfahren zur grundlegenden Reform der Stromnetzentgeltsystematik in Deutschland. Die derzeitige Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft zum 31. Dezember 2028 aus, und es bedarf einer zukunftssicheren Nachfolgeregelung. Ziel ist es, eine Netzentgeltsystematik zu schaffen, die den Anforderungen eines zunehmend dezentralen und volatilen Energiesystems gerecht wird und die finanzielle Belastung der Verbraucher dämpft. Die BNetzA verfolgt dabei vier Hauptziele: Kostenorientierung, Anreizfunktion, Finanzierungsbeteiligung und Umsetzbarkeit.

Diskutierte Optionen

Im Rahmen des AgNes-Prozesses werden verschiedene Anpassungsoptionen diskutiert, um die Netzentgelte effizienter zu gestalten und Steuerungsanreize für den Ausbau Erneuerbarer Energien zu setzen:

  • Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten: Eine zentrale Diskussionssäule ist die mögliche Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten. Bisher tragen in Deutschland ausschließlich Letztverbraucher die Netzentgelte. Durch die Einführung von Einspeiseentgelten und/oder Baukostenzuschüssen (BKZ) für Erzeuger soll die Kostenlast breiter verteilt werden.

  • Umgestaltung der Netzentgeltkomponenten: Durch den Ersatz der aktuell rein entnahmeabhängigen Netzentgelte durch kapazitätsbasierte Entgelte sollen Netzkosten realistischer abgebildet werden. Dies soll Flexibilitäten fördern und eine effiziente Nutzung der Netzkapazitäten anreizen. In diesem Zusammenhang wird auch ein verpflichtender Grundpreis für Einspeiser diskutiert.

  • Dynamische Netzentgelte: Die Einführung zeitlich und/oder örtlich variabler Netzentgelte soll netzdienliches Verhalten anregen und die Auslastung der Netzinfrastruktur optimieren. Langfristig sollen hierdurch die Netzausbaukosten insgesamt reduziert werden.

  • Einheitliche Verteilnetzentgelte: Diskutiert wird auch ein Ausgleich regional unterschiedlicher Netzentgeltbelastungen durch eine vollständige Angleichung der Netzentgelte auf Verteilernetzebene.

  • Speicherentgelte: Zuletzt soll die Rolle von Energiespeichern und die damit verbundene Kostenverantwortung geklärt werden.

Wie bewertet die ARGE NETZ die Optionen?

Für uns ist klar: Eine neue Netzentgeltsystematik sollte die Gesamteffizienz des Stromsystems adressieren. Aus diesem Grund muss die Systemoptimierung bzw. die Systemkostendämpfung in einem Erneuerbaren-Energiesystem die zentrale Priorität einer neugestalteten Netzentgeltsystematik sein. Eine reine Kostenumschichtung reizt weder systemdienliches Verhalten an, noch senkt es die Gesamtkosten des Energiesystems. Die vorgestellten Optionen zur Umverteilung der Kosten führen nicht zwangsläufig zu einer Minderung der Systemkosten, denn neue Kostenbelastungen wie Einspeiseentgelte oder Baukostenzuschüsse verteuern letztlich den Strompreis bzw. den Förderbedarf. Eine Entlastung für Verbraucher lässt sich hierdurch nicht erreichen.

Systemdienlichkeit und Flexibilität statt nur Netzdienlichkeit

Bevor über etwaige Kostenneuverteilungen diskutiert wird, sollte zuerst die allgemeine Senkung der Systemkosten im Fokus stehen. Das Erreichen wir am besten mit Flexibilisierungsmaßnahmen, wie der Überbauung der Netzverknüpfungspunkte, dynamischen Netzentgelten, der Möglichkeit zur Direktbelieferung von Unternehmen und dem Energy Sharing. Erst wenn diese Potenziale zur (kosten-)effizienteren Netznutzung ausgeschöpft sind, sollten Maßnahmen zur Kostenwälzung in Betracht gezogen werden.

Keine neue Steuerungswirkung die den Norden benachteiligt

Zudem regen wir an, die generelle Sinnhaftigkeit einer umfangreichen räumlichen Verschiebung von Erzeugungskapazitäten zu überdenken. Im windreichen Norden können deutlich größere und günstigere Strommengen aus Windenergie erzeugt werden als bspw. im Süden des Landes. Hinzu kommt, dass die Förderkosten in südlichen Bundesländern aufgrund des Referenzertragsmodells höher sind, wodurch die geringeren Strommengen letztendlich sogar teurer sind. Die vorgegebenen Flächenbeitragswerte des WindBG und das Referenzertragsmodell sind bereits wirksame Steuerungsinstrumente, um einen gleichmäßigen Ausbau anzureizen. Weitere Steuerungsinstrumente wären damit nicht nur redundant, sondern würden zudem auch zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen

Aus diesen Gründen lehnen wir eine Kostenbeteiligung der Einspeiser zwar grundsätzlich ab, sehen jedoch einige Optionen kritischer als andere. So sind kapazitätsorientierte Einspeiseentgelte einem Grundpreismodell oder leistungsbezogenen Entgelten vorzuziehen. Ein Kapazitätspreis kann dazu geeignet sein, die effiziente Nutzung der Netzinfrastruktur anzureizen. Betreiber können ihr Gesamterzeugungssystem in einem Zug planen und ihren Netzanschluss so bestmöglich ausnutzen. Außerdem kann ein regelmäßig zu zahlender, niedrigerer Kapazitätspreis verglichen zu einmaligen, höheren Baukostenzuschüssen für die Liquidität von Projekten vorteilhaft sein.

Sollte über die Einführung von Baukostenzuschüssen nachgedacht werden, so müssen diese transparent und einheitlich gestaltet sein. Die Höhe muss insbesondere für Projektfinanzierungen von KMU handhabbar sein und nicht deren Liquidität einschränken. Zudem sollte ein BKZ im Gegenzug einen schnellen Netzanschluss garantieren.

Bürgerenergie von zusätzlichen Belastungen ausnehmen

In diesem Zusammenhang setzen wir uns auch für Ausnahmeregelungen für Bürgerenergiegesellschaften ein. Nehmen diese nicht an Ausschreibungen teil, orientiert sich ihre Vergütung an den Höchstwerten des Vorvorjahres. Steigende Kosten würden sich damit frühestens nach zwei Jahren in der Vergütung wiederspiegeln, wodurch Bürgerenergieprojekte ggf. zumindest zeitweise nicht mehr wirtschaftlich wären. Aus diesem Grund und den höheren Anforderungen in Bürgerenergieprojekten sollten diese von etwaigen BKZ oder Einspeiseentgelten grundsätzlich befreit werden. Alternativ sollten Bürgerenergiegesellschaften die Entscheidungsmöglichkeit haben, statt der am Vorvorjahr bemessenen Vergütung auch eine Vergütung entsprechend des aktuellen Höchstwerts zu erhalten.

Speicherhochlauf nicht abwürgen

Die Erhebung von Speicherentgelten ist ebenfalls kritisch zu bewerten. Die reine Betrachtung von Speichern als Verbraucher wird ihrem potenziellen Beitrag zur Systemoptimierung nicht gerecht. Der Speicher- und H²-Hochlauf ist essenziell für ein flexibles, dezentrales Energiesystem, basierend auf erneuerbarer Stromerzeugung. Aus diesem Grund ist er auch ausdrücklich politischer Wille und darf daher nicht durch Netzentgelte oder BKZ gefährdet werden. Stattdessen sollten insbesondere systemdienlich operierende Speicher honoriert werden.

Dynamisierte Netzentgelte vorne anstellen

Aus unserer Sicht sind von den genannten Optionen lediglich die dynamischen Netzentgelte dazu in der Lage, Systemkosten zu senken und ein systemdienliches, effizientes Verhalten anzureizen. Voraussetzung ist jedoch der weitreichende Einsatz von Smart-Metern sowie die umfassende Digitalisierung und Modernisierung der Verteilnetzebene. Wir empfehlen daher ausdrücklich, dynamisierte Netzentgelte vorrangig einzuführen.

Modellregion für die vernetzte Energiewende

Leider erleben wir gerade bei der Einführung von dynamischen Netzentgelten noch hohe Wiederstände. Sollte dies bundesweit nicht sofort umsetzbar sein, empfehlen wir Modellregionen für dynamisierte Netzentgelte aufzusetzen. Diese könnten analog der SINTEG-Regionen ("Schaufenster intelligente Energie") mit bereits erprobten Flexibilitätsmärkten wie ENKO, u.a. in Schleswig-Holstein und Hamburg, vorangehen.

Wie geht es nun weiter?

Es wird erwartet, dass im ersten Quartal 2026 ein konkretisiertes Eckpunktepapier und Mitte 2026 ein Festlegungsentwurf vorgelegt werden. Die Veröffentlichung der endgültigen Festlegung ist für Ende 2026 geplant, mit einem zweijährigen Umsetzungszeitraum, sodass die neuen Regelungen voraussichtlich ab dem 1. Januar 2029 angewendet werden müssen.

Die ARGE NETZ wird den Prozess auch weiterhin konstruktiv begleiten.

Bildnachweis: iStock/Meinzahn

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